Pakistan: «Give Me a Chance» in Peschawar

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Die Ausbildung befähigte in sieben Lehrgängen insgesamt 431 Mädchen, mit Näh- und anderen Handarbeiten ein eigenes Einkommen zu erzielen. Zum Lehrgang gehörten auch der Umgang mit Finanzen, Lesen und Schreiben, Förderung und Stärkung des Selbstbewusstseins sowie die Gesundheitsprävention. Nach dem Abschluss erhielten die jungen Frauen eine Nähmaschine, mit der sie ihre Produkte herstellen können. Begleitet wurde das Programm von Workshops für die Familienangehörigen mit Informationen über Kinder- und Frauenrechte.

Ausgangslage

Aufgrund der militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan und den pakistanischen Stammesgebieten flüchteten seit 1979 gegen zwei Millionen Menschen nach Peschawar. Armut, bedenkliche hygienische Verhältnisse, eine desolate medizinische Versorgung sowie fehlende Bildungsmöglichkeiten bestimmen vielerorts das Leben der Flüchtlinge, das gleichzeitig stark von konservativen Sitten und traditionellen Verhaltensmustern geprägt wird. Die verletzlichste Gruppe darunter sind die Mädchen. Entsprechend der traditionellen Rollenverteilung haben sie kaum Zugang zu Schulbildung und sind von ihrer Familie abhängig.

Projektziel

Pro Jahr 60 besonders bedürftigen jungen Frauen aus verschiedenen Stadtteilen von Peschawar einen Lehrgang in Näh- und anderen Handarbeiten ermöglichen, der sie befähigt, einen Beruf auszuüben, mit dem sie ein eigenes Einkommen erzielen können.

Die Wirkung des Lehrgangs von «Give Me a Chance» geht weit über eine gewöhnliche Berufsbildung hinaus. Die Teilnehmerinnen sollen sich zu selbstbewussten jungen Frauen mit eigenen Bedürfnissen und neuen Perspektiven entwickeln, die ihre Rechte und Freiheiten kennen und einfordern können.

Projektverlauf

Die ersten 15 Mädchen begannen ihren dreimonatigen Lehrgang 2009 im Quartier Danishabad. Neben der Förderung der handwerklichen Fähigkeiten waren die Stärkung ihres Selbstbewusstseins und die Aufklärung der Eltern über Kinder- und Frauenrechte zentral. Zum Lehrgang gehörten auch der Umgang mit Finanzen und die Gesundheitsprävention.

Aufgrund der Erfahrungen aus dem ersten Jahr wurde die Teilnehmerinnenzahl pro Kurs im zweiten Lehrgang im Stadtteil Haji Camp auf 30 erhöht und die Kursdauer von drei auf sechs Monate verlängert. Damit konnten mehr Näh- und Schnitttechniken unterrichtet und die Kursinhalte zu Gesundheit, Sexualkunde oder Frauenrechten vertieft werden. Ausserdem beauftragte die Projektleitung eine Fachfrau, die den Mädchen Strategien für den erfolgreichen Marktzugang vermittelte. Im Oktober 2011 startete ein dritter Durchgang im Quartier Dir Colony. Dabei sorgte eine zusätzliche Lehrerin für eine Qualitätssteigerung bei der Nähausbildung, und der Lehrplan wurde mit der Kerzenherstellung erweitert. Dazu beschloss die Projektleitung, auch die männlichen Familienangehörigen stärker in den Sensibilisierungsprozess hinsichtlich Kinder- und Frauenrechten einzubeziehen, damit sie die jungen Frauen in ihrem Bildungsprozess unterstützen.

Die vierte Auflage des Berufsbildungskurses von «Give Me a Chance» begann im Oktober 2012 im Stadtteil Din Bahar. Die im Vorjahr eingeführte Kerzenherstellung sowie das erstmalig angebotene Seifenkochen erwiesen sich als sehr wertvolle Komponenten. Ganze Familien, angeleitet von den jungen Frauen, hatten inzwischen mit der Anfertigung von Produkten begonnen. Grundwissen zu ausgewogener Ernährung kam ergänzend zum Hygiene- und Gesundheitskurs hinzu. Für den fünften Lehrgang ab Oktober 2013 wählte die Projektleitung das Quartier Saeed Abad. Bei diesem Lehrgang wurden erstmals auch Techniken zur Konservierung von Lebensmitteln (Marmeladen, Chutneys, eingelegtem Gemüse, Ketchup, Sirup etc.) unterrichtet. Der sechste Lehrgang startete 2014 mitten in der historischen Altstadt beim Kohati Gate und der siebte und letzte Kursdurchgang 2015 im sehr armen Quartier Changarabad.

Unterstützung durch den EEF

Die NGO Flowers wurde im Jahr 2002 gegründet und setzt sich für benachteiligte Strassenkinder in Peschawar und in der Grenzregion zu Afghanistan ein. Ein Vorstandsmitglied des equal education fund (EEF) kannte die Organisation und regte eine Zusammenarbeit an. Es erwies sich dabei als grosser Vorteil, dass wir auf die stabile Organisation von Flowers zurückgreifen konnten.

Bei Besuchen in Peschawar informierte sich der EEF-Präsident über den Verlauf von «Give Me a Chance» und hatte die Möglichkeit, Einblick in die Kurse für die jungen Frauen und Mädchen zu erhalten. Er war beeindruckt von der Professionalität und vom Engagement der Lehrerinnen und Sozialarbeiterinnen. Und auch vom Enthusiasmus der Schülerinnen: Die jungen Frauen zeigten grosses Interesse an mehr Fähigkeiten und Informationen. Einige überzeugten die Eltern, ebenfalls ihren Brüdern und Schwestern eine Ausbildung oder den Schulbesuch zu ermöglichen. Die Ernährungsgewohnheiten und die Hygiene verbesserten sich nicht nur bei den Mädchen, sondern auch in ihren Familien. Solchermassen stiessen die Kursteilnehmerinnen in vielerlei Hinsicht Entwicklungsprozesse innerhalb ihres Zuhauses an.

Insgesamt erhielten 431 junge Frauen aus sieben verschiedenen Stadtteilen Peschawars zwischen 2009 und 2016 eine grundlegende Handarbeitsausbildung. Unser Ziel war es, ein erfolgreiches Projektkonzept zu entwickeln, das die wirtschaftliche Situation und den sozialen Status der begünstigten Frauen entscheidend verändert. Das erarbeitete Konzept von «Give Me a Chance» erwies sich als sehr effizient und effektiv, und es ist sehr erfreulich, dass die ehemaligen Kursteilnehmerinnen begonnen haben, selbst andere junge Frauen in den erlernten Techniken auszubilden. Es hat sich also nicht nur die Situation von über 400 jungen Frauen unmittelbar dank «Give Me a Chance» verbessert; das vermittelte Wissen wird aktiv weitergegeben und ein Teil der Errungenschaften wird auch in Zukunft Bestand haben.

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